ADHS und Ernährung

ADHS und Ernährung: Ein Blick auf die Empfehlungen von Wolfgang Kömen

Da in der Selbsthilfegruppe immer wieder nach der Rolle der Ernährung bei ADHS gefragt wird, habe ich mich mal wieder damit beschäftigt – da viel mir der Fachartikel vom Springerverlag in die Hände. Empfehlenswert.

In seinem umfassenden Artikel beleuchtet Wolfgang Kömen die komplexen Wechselwirkungen zwischen Ernährung und der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS).

Die Rolle der Ernährung bei ADHS

Laut Kömen spielt die Ernährung eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung und dem Verlauf von ADHS. Eine gesunde Ernährung kann nicht nur präventiv wirken, sondern auch die Symptome lindern. Dabei ist besonders wichtig, dass Kinder in den ersten Lebensjahren – und schon während der Schwangerschaft – mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt werden. Stillen wird hier als besonders förderlich hervorgehoben, da es das Risiko für ADHS reduziert.

Empfehlungen für eine gesunde Ernährung bei ADHS

Kömen gibt klare Empfehlungen für eine gesunde Ernährung bei ADHS:

  • Viel Obst und Gemüse: Drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst pro Tag sind ideal.
  • Vollkornprodukte: Diese sollten regelmäßig in den Speiseplan integriert werden.
  • Gesunde Fette: Ungesättigte Fette sind wichtig, Transfette hingegen sollten vermieden werden.
  • Begrenzter Fleischkonsum: Maximal zweimal pro Woche Fleisch und einmal bis zweimal pro Woche Fisch.
  • Wasser trinken: Wasser ist das beste Getränk, Zuckerhaltige Getränke sollten vermieden werden.

Ernährungsfaktoren als präventive Maßnahme

Kömen betont die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung als präventive Maßnahme. Besonders während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des Kindes ist eine ausreichende Versorgung mit Makro- und Mikronährstoffen entscheidend für die Hirnentwicklung und kann das Risiko für ADHS reduzieren.

Probleme bei der Ernährung von ADHS-Patienten

Viele ADHS-Patienten haben Schwierigkeiten, eine gesunde Ernährung aufrechtzuerhalten. Unregelmäßige Essgewohnheiten und der Konsum von ungesunden Lebensmitteln können die Symptome verschlimmern. Hier ist die Unterstützung durch Eltern und Betreuungspersonen besonders wichtig, um eine ausgewogene Ernährung zu fördern.

Eliminationsdiäten und ADHS

Ein spannender Aspekt des Artikels ist die Diskussion über Eliminationsdiäten. Diese Diäten dienen dazu, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien zu identifizieren, die ADHS-Symptome verstärken könnten. Dabei werden potenziell problematische Nahrungsmittel zunächst vollständig weggelassen und nach einer gewissen Zeit schrittweise wieder eingeführt, um Reaktionen zu beobachten.

Wie funktioniert eine Eliminationsdiät?

Eine Eliminationsdiät läuft in zwei Phasen ab:

  1. Eliminationsphase: Verdächtige Lebensmittel werden für zwei bis fünf Wochen aus der Ernährung gestrichen.
  2. Wiedereinführungsphase: Die gestrichenen Lebensmittel werden schrittweise wieder eingeführt, um zu beobachten, ob und welche Symptome auftreten.

Diese Methode erfordert Geduld und genaue Beobachtung, kann jedoch helfen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu identifizieren und so die ADHS-Symptome zu lindern.

Empfehlungen von Kömen zur Eliminationsdiät

Kömen hebt hervor, dass körperliche Reaktionen auf bestimmte Nahrungsmittel (wie Ekzeme, Asthma, allergische Rhinitis, gastrointestinale Probleme) zur Hypothese geführt haben, dass diese Lebensmittel auch auf das Gehirn wirken könnten, möglicherweise durch Veränderungen des Mikrobioms. Bei ADHS-Patienten wurden solche körperlichen Reaktionen relativ häufig nachgewiesen, darunter oft gegen Kuhmilch, Käse, Ei, Schokolade und Nüsse.

Wann sinnvoll:

  • Kömen empfiehlt Eliminationsdiäten besonders bei nachgewiesenen Nahrungsmittelallergien, atopischer Dermatitis oder gastrointestinalen Symptomen. Er betont jedoch, dass die wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit von Eliminationsdiäten bei ADHS begrenzt ist.

Vorsicht und Bedenken:

  • Kömen warnt, dass Eliminationsdiäten einschneidende Veränderungen im Lebensstil erfordern und stark von der Struktur und Kontrolle durch die Familie abhängen. Er betont, dass solche Diäten oft zu Mangelerscheinungen führen können und stigmatisierend sein können.

Supplementierung von Mikronährstoffen

Kömen weist darauf hin, dass die Supplementierung von Mikronährstoffen bei ADHS keine signifikanten Effekte gezeigt hat. Er empfiehlt, solche Supplementierungen nur bei nachgewiesenem Mangel und unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen. Eine allgemeine Gabe von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten ohne Nachweis eines Mangels wird nicht empfohlen.

Omega-3-Fettsäuren

Die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren hat in einigen Studien geringe Verbesserungen gezeigt, aber die Evidenz ist nicht ausreichend, um eine allgemeine Empfehlung auszusprechen. Auch hier gilt: Supplementierung nur bei nachweisbarem Mangel und unter ärztlicher Aufsicht.

Probiotika

Bisher konnte keine eindeutige Wirksamkeit von Probiotika bei ADHS nachgewiesen werden. Kömen betont, dass weitere Studien erforderlich sind, um die möglichen Vorteile zu bestätigen.

Allgemeine Ernährungsempfehlungen

  • Vermeiden von zuckerhaltigen Getränken und stark prozessierten Lebensmitteln.
  • Förderung einer ausgewogenen Ernährung mit ausreichendem Verzehr von Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten.
  • Fleischkonsum auf zweimal pro Woche beschränken, Fisch einmal bis zweimal pro Woche.
  • Trinken von Wasser anstatt von zuckerhaltigen Getränken.
  • Eltern sollten darauf achten, dass ihre Kinder langsam essen und Mahlzeiten nicht als Belohnung eingesetzt werden.

Politische und gesellschaftliche Empfehlungen

Kömen fordert, dass Politik und Nahrungsmittelindustrie unnötige Zusatzstoffe in Lebensmitteln minimieren oder entfernen. Dies ist besonders wichtig, um gesündere Ernährungs- und Lebensstile zu fördern.

Forschung und Entwicklung

Weitere Forschung zur genetischen Heterogenität von ADHS sowie zur Darm-Hirn-Achse wird als erfolgversprechend angesehen. Eine personalisierte Medizin, die genetische und epigenetische Faktoren berücksichtigt, sollte weiterentwickelt werden.

Besondere Projekte und Studien

Kömen verweist auf das EU-Projekt “Eat2beNICE“, das multizentrische Studien durchführt, um den Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom, Diät und körperlicher Aktivität zu untersuchen. Dieses Projekt zielt darauf ab, Ernährungs- und Lebensstilempfehlungen für die mentale Gesundheit zu entwickeln und politische Entscheidungsträger zu beeinflussen.

Fazit und weiterführende Informationen

Kamen betont in seinem Artikel die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung bei ADHS, weist aber auch darauf hin, dass keine Ernährungsintervention als alleinige Behandlung ausreicht. Eine ausgewogene Ernährung sollte immer Teil eines umfassenden Therapieplans sein.

Gesund ernähren – Unterstützung durch die Selbsthilfegruppe

Da es vielen ADHSlern oft schwer fällt, die Organisation, welche im Alltag für eine gesunde Ernährung notwendig ist aufrecht zu erhalten – ist ein gemeinsamer Austausch sowie ein Buddy Coaching da sehr hilfreich. Auch body doubling und der schriftliche Austausch unserer digitalen Möglichkeiten können helfen! Rezepte werden auch ausgetauscht.

Für weiterführende Informationen zur Oligoantigenen Diät und anderen Ernährungsthemen bei ADHS empfehlen wir die Seiten und Dokumentationen des NDR sowie die Informationen der Universität Freiburg:

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