Laut Leitlinien: erst Medikamente!
Da die Medikamente ähnlich wie eine Brille die Ursache behandeln soll laut Leitlinien erst eine Einstellung mit Medikamenten erfolgen, dann eine Verhaltenstherapie begonnen werden, falls noch nötig.
https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-045k_S3_ADHS_2018-06.pdf
Reihenfolge der Medikamentenauswahl nach Effektstärke
(Effektstärke in Klammern)
Lisdexamfetamin (laut europäischem Konsens) (1,52)
Methylphenidat (1,0)
Atomoxetin (0,66)
Guanfacin (nur Off-label für Erwachsene) (0,76)
Buproprion (nur Off-label für ADHS, ist ein Antidepressivum) (0,22)
Quelle der Effektstärke: adxs.org, nicht geprüft
Welches Medikament bei wem am besten wirkt kann individuell unterschiedlich sein. Viele Erwachsene kommen mit MPH Präparaten besser zurecht als mit Lisdexamfetamin und umgekehrt, das ist individuell. Jedes Präparat mit Methylphenidat kann unterschiedlich für einen Patienten wirken, trotz des gleichen Wirkstoffs. So kann ein Patient von Concerta profitieren, jedoch von Medikinet nicht – und umgekehrt.
Stimulanzien haben in der Behandlung von ADHS die grösste Effektstärke und verursachen die geringsten Nebenwirkungen!
Der gemeinsame Bundesausschuss hat keinen Zusatznutzen für die Behandlung mit Lisdexamfetamin festgestellt. Deshalb sollte zuerst eine Behandlung mit Methylphenidat erfolgen, da dies etwas günstiger ist.
Allerdings auch nur, wenn man ein Präparat wie Mediziner Adult nur einmal täglich nehmen würde – was normalerweise nicht ausreichend ist (eine Dosis wirkt ca 6 Stunden). Sofern ich mich nicht verrechnet habe.
https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3985/2019-10-17_AM-RL-XII_Lisdexamfetamindimesilat_nAWG_D-452_BAnz.pdf
Stimulanzien wie Lisdexamfetamin und Methylphenidat sorgen dafür, dass mehr Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt zur Verfügung stehen.
Das sind die Neurotransmitter, welche bei ADHSlern zu wenig vorhanden sind. Dieser Mangel führt zu den ADHS Symptomen.
Psychostimulanzien wirken ähnlich wie Kaffee – man nimmt sie ein und die Wirkung hält direkt für einige Stunden an und ist dann wieder weg.
Atomoxetin ist dagegen ein “Spiegelmedikament”. Man muss es erst einige Wochen regelmäßig nehmen um eine therapeutische Wirkung zu haben, ähnlich wie es bei vielen Antidepressiva ist.
Methylphenidat hemmt die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin, indem es deren Transporter in ihrer Funktion blockiert. Diese Transporter sitzen in der Zellmembran der präsynaptischen Nervenzellen und dienen einer schnellen Wiederaufnahme der Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt.
Der Mechanismus der therapeutischen Wirkung von Amphetaminen bei ADHS ist nicht vollständig geklärt. Vermutlich beruht er auf einer vermehrten Freisetzung von Noradrenalin und Dopamin in den synaptischen Spalt. Diese Ausschüttung wird vor allem durch eine Umkehr der Arbeitsrichtung der Dopamintransporter (DAT) bewirkt.
Im Rahmen der Rabattverträge muss die Apotheke das Präparat austauschen. Jedes Präparat kam aber etwas anders wirken.
Für erwachsene ADHS Patienten sind aktuell folgende Präparate mit Methylphenidat zur Behandlung zugelassen:
– Medikinet adult
– Ritalin adult
– Concerta
– Kinecteen
Sowie verschiedene Generika für Ritalin adult und Concerta.
Seit 2007 sind Apotheker verpflichtet für das eingereichte Rezept genau das wirkstoffgleiche Präparat herauszugeben, für das die Krankenkasse des Patienten einen Rabattvertrag abgeschlossen hat.
Bei einem BTM Rezept muss zudem die genaue Stückzahl sowie die Wirkdauer übereinstimmen. Bei einigen Medikamenten ist der Wechsel von vorne herein ausgeschlossen.
Welche das sind, steht in der Substitutionsausschlussliste. Präparate mit Methylphenidat stehen bisher nicht auf dieser Liste.
Das Präparat Medikinet adult wird aktuell nicht ausgetauscht, unter anderem da es kein Alternativpräparat mit gleicher Stückzahl gibt, auch die Dareichungsformen sind laut Arzneimittel- Richtlinie nicht austauschbar.
Für Ritalin adult und Concerta gibt es verschiedene Rabattverträge, diese Präparate müssen dann gegen das entsprechende Rabattarzneimittel ausgetauscht werden. Die Verträge haben eine reguläre Laufzeit von zwei Jahren.
Ein solcher Austausch kann von den Ärzten nur verhindert werden, wenn auf dem Rezept „Aut Idem“ angekreuzt (durchgestrichen) wird. Dies erhöht jedoch das Risiko, dass sich die Ärzte hierdurch möglichen Regressforderungen der Krankenkassen aussetzen, deshalb wird dies nur ungern gemacht.
Die einzelnen Präparate unterscheiden sich oft auch bei gleicher Dosis hinsichtlich Bioverfügbarkeit, Wirkung, Wirkdauer und Nebenwirkungen.
Oft ist es ein längerer Weg, bis das individuell passende Präparat und die für den Patienten richtige Dosierung gefunden wird – wenn das Präparat dann durch einen Wechsel des Rabattvertrages ausgetauscht wird hat dies mitunter negative Konsequenzen für die Therapie und führt auch zu Therapieabbrüchen.
Es besteht die Möglichkeit das gewünschte Medikament gegen Aufpreis zu erhalten. In diesem Fall ist in der Apotheke der volle Preis des entsprechenden Präparats zu zahlen. Der Patient erhält von der Krankenkasse den Preis des rabattierten Generikums zurück, abzüglich eines Verwaltungskostenbeitrages und eines Abschlages für individuell mit dem Hersteller ausgehandelte Rabatte der Krankenkasse.
Auch Apotheker haben noch eine Möglichkeit, den Austausch zu verhindern.
In der Apothekenbetriebsordnung und im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung ist festgelegt, dass wenn durch den Austausch mit einem Rabattarzneimittel bei eine*r/m Apotheker*in pharmazeutische Bedenken entstehen, es erlaubt ist von der Abgabe des Rabattarzneimittels abzuweichen.
Bei den Präparaten mit Methylphenidat ist es definitiv gerechtfertigt den Patient*innen das Arzneimittel abzugeben auf welches sie erfolgreich eingestellt sind.
Zitat eines Apothekers:
„Als Apotheker habe ich bereits hundertfach von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, wenn es z.B. zu dem von dir beschriebenen Fall gekommen ist. Es gibt aber auch noch viele andere Konstellationen in denen Apotheker*innen davon Gebrauch machen müssen.
Man braucht als Apotheke – wenn man alles korrekt auf dem Rezept vermerkt – auch keine Sorgen vor möglichen Regressen durch die Krankenkassen haben.“
Hier noch ein Link zu einer Arbeitshilfe zum Thema Phamazeutische Bedenken:
https://www.deutschesapothekenportal.de/wissen/pharmazeutische-bedenken/
Auch Prof. Dr. Manfred Döpfner, vom zentralen ADHS Netz, hatte dazu schon mal eine Stellungnahme geschrieben.
Apothekerin Maren Torkler erklärt in diesem Video was es mit den Rabattverträgen auf sich hat:
https://www.youtube.com/watch?v=SQZZucVYB0c&embeds_referring_euri=https%3A%2F%2Fadhsnurse.de%2F&feature=emb_imp_woyt
Stimulanzien kann man auch nur nach Bedarf nehmen – wenn man die Wirkung nur in bestimmten Situationen benötigt. Zum Beispiel nur in bestimmten beruflichen Situationen oder im Studium.
Am einfachsten klappt das unserer Erfahrung nach mit Methylphenidat, da es auch nur eine kurze HWZ hat.
Schwieriger ist Lisdexamfetamin (Elvanse). Es hat eine HWZ von ca 10 Stunden und verbleibt ca 3 Tage im Körper. Wird es reduziert oder pausiert kann es bei einigen Betroffenen während 2-3 Tagen zu unangenehmen Wirkungen kommen (nicht bei allen!).
Siehe Beitrag zum steady state.
Während der Eindosierung sollte man das Medikament allerdings immer regelmäßig nehmen!
Die Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie enthält eine Übersicht über alle bereits bestehenden Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung.
Um Stimulanzien auf Kosten der Krankenkasse verordnen zu können müssen bestimmte Vorraussetzungen vorliegen. Dies hat nichts damit zu tun, dass es sich um BTM handelt!
Hier ein Zitat (Nummer 14, Seite 22) bezüglich Stimulanzien:
„ausgenommen bei Erwachsenen ab einem Alter von
18 Jahren mit Hyperkinetischer Störung bzw. Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADS / ADHS), sofern die Erkrankung bereits im Kindesalter bestand, im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie, wenn sich andere Maßnahmen allein als unzureichend erwiesen haben. Die Diagnose erfolgt
angelehnt an DSM-IV Kriterien oder Richtlinien in ICD-10 und basiert auf einer vollständigen Anamnese und Untersuchung des Patienten. Diese schließen ein strukturiertes Interview mit dem Patienten zur Erfassung der aktuellen Symptome, inkl. Selbstbeurteilungsskalen ein. Die retrospektive Erfassung des Vorbestehens einer
ADHS im Kindesalter muss anhand eines validierten Instrumentes (Wender-Utha-Rating-Scale-Kurzform (WURS-k)) erfolgen. Die Arzneimittel dürfen nur von einem Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Erwachsenen verordnet (Fachärztin/Facharzt für Nervenheilkunde, für Neurologie und / oder Psychiatrie oder für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärztin/Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, ärztliche Psychotherapeuten gemäß Bedarfsplanungs-Richtlinie) und unter dessen Aufsicht angewendet werden. In therapeutisch begründeten Fällen können bei fortgesetzter Behandlung Verordnungen auch von Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen vorgenommen werden. In Ausnahmefällen dürfen auch
Hausärztinnen/Hausärzte iFolgeverordnungen vornehmen, wenn gewährleistet ist, dass die Aufsicht durch einen Spezialisten für Verhaltensstörungen erfolgt.“
https://www.g-ba.de/downloads/83-691-855/AM-RL-III-Verordnungeinschraenkungen_2023-11-11.pdf